was ist christlich an der Anthroposophie? Diese Frage drängt sich mir besonders in der Weihnachtszeit auf. Obwohl die Antwort auf diese Frage komplex und umfangreich ist, lässt sich vielleicht dennoch eine treffende Quintessenz formulieren. Drei Kernpunkte scheinen mir maßgeblich:
Erstens die Idee, dass das geistig-göttliche Selbst tatsächlich im Menschen lebt - und zwar nicht nur in Königen und Priestern, sondern in jedem Menschen "zwischen Ochs und Eselein".
Das Christliche an der Anthroposophie ist hier die konsequente Verfolgung dieser Idee, welche bei Steiner zu dem Satz führt, dass in "jedem Menschen Fähigkeiten schlummern, durch die er sich Erkenntnisse über höhere Welten erwerben kann." Damit setzt sich Anthroposophie von einem Bewusstsein ab, welches davon ausgeht, dass die Erfahrung der eigenen Göttlichkeit und darüber hinaus die Erkenntnisse zur Entfaltung dieses Geistig-Göttlichen nur einem bestimmten Menschenkreis zugänglich sein könnten und dürften.
Zweitens die Idee, dass es jedem Menschen tatsächlich möglich ist, sich so zu transformieren, dass dieses geistig-göttliche Selbst voll umfänglich in seinem Leben zur Erscheinung kommt - "nicht ich, sondern Christus in mir."
Das Christliche an der Anthroposophie ist die Entwicklung und Förderung einer Kultur, innerhalb derer alle Menschen diese Transformation vom engen Ego zum weiten Selbst realisieren können.
Drittens die Idee, dass das Ende des Leidens und das Erkennen der Illusionen, in denen Menschen "nicht wissen was sie tun", dass die Erlösung durch den Tod und das "Auffahren in den Himmel" nicht das Ende der Geschichte, sondern deren Anfang ist.
Das Christliche an der Anthroposophie ist die Weiterentwicklung einer Spiritualität, welche den Tod des Egos, das Erkennen des Leidens als Illusion und somit die Erlösung vom Leiden und das Aufgehen im göttlichen Sein, als Endabsicht hat. Dieses Ende wird in der Anthroposophie nun zum Ausgangspunkt für den "Weltenfortgang" - der Mensch erkennt sich als eins mit allem Sein und soll durch Anthroposophie befähigt werden aus diesem Bewusstsein heraus seinen Beitrag zum Werden der Welt zu leisten. Das Sterben des Ego ist nicht länger nur Ziel, sondern Voraussetzung für die Auferstehung des göttlich-geistigen Selbst, welches bereits immer in jedem Menschen schlummert.
Das Christliche an der Anthroposophie ist somit, nochmals zusammenfassend, die Etablierung einer Kultur des Herzens jenseits jeder Mythologie, welche Menschen befähigt, ihr enges Ich-Bewusstsein so zu weiten und letztlich zu sprengen, dass es ihnen möglich ist, die "Himmelskräfte auf Erden" zu verwirklichen. Darin, so Rudolf Steiner, liege "der Sinn des Lebens" - es ist ein Geschenk des göttlichen Bewusstseins, zu unserem "freien Wollen" geschenkt. Weil das "göttliche Bewusstsein nicht egoistisch ist", so Steiner, darum "gönnt es einer unermesslich großen Anzahl von Wesen denselben Inhalt, den es selber hat... In großer Zahl erscheint dann, was in Einheit war im Beginne der Weltenentwicklung."
Weihnachten ist ein schöner Anlass, sich über dieses Geschenk zu freuen, es auszupacken... und es anzupacken. Ich wünsche Ihnen frohe Feiertage.
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1 Kommentar:
Lieber Ralf,
der Kreis der Auserwählten kann ja nicht durch irgendwelche äusseren Umstände oder Dinge, sondern nur durch unsere Offenheit der geistigen Welt, oder der geistigen Wesen selbst bestimmt werden. Das ist Christentum. So verstehe ich Gronbach hier.
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