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Sonntag, 14. Dezember 2008
Jelle van der Meulen: Behinderung als Schicksal (2)
Über die stumme Sprache
Mein Bruder Mark ist gelähmt & lebt im Rollstuhl. Sprechen kann er kaum. Er kann „Koffie“ sagen, und meint damit, dass er gerne eine Tasse Kaffee hätte. Auch sagt er klar „ja“ & „nein“, nennt manche Menschen bei ihrem Vornamen, und macht klipp und klar deutlich, dass er jetzt abhauen möchte. Ein herkömmliches Gespräch ist mit Mark nicht möglich.
Weil er gelähmt ist, ist auch seine Körpersprache beschränkt. Seinen Gang kennen wir nicht, weil er nicht laufen kann. Er bewegt seinen linken Arm nur, um etwas in die Hand zu nehmen, zum Beispiel ein Stück Kreide. Wenn er „Koffie“ oder „ja“ oder „nein“ sagt, sprechen sein Arm und seine Hand kaum mit.
Aber sein Kopf spricht ... Sein Kopf spricht eine Sprache, die mich sprachlos macht. Und das gilt noch stärker für seinen Blick. Wenn ich versuche in Worte zu fassen, was in seinen Augen lebt, stelle ich fest, dass die üblichen Worte nichts sagen. Gibt es Unruhe in seinem Blick? Nein. Ruhe? Auch nicht. Wut? Gar nicht. Zufriedenheit? Auch nicht. Freude? Nein. Kummer? Nein.
Wenn es ein Wort gibt, dass die Wirkung seines Blickes halbwegs beschreibt, wäre es: Frage. Mark schaut wie er lauscht: wie eine offene Frage. In seinem Blick erscheint eigentlich gar nichts Bestimmtes – obwohl er bestimmt etwas Bestimmtes sieht, so wie ein Stück Kreide. Es ist aber so, als ob die Gegenstände in seinen Augen verschwimmen, peripher werden, in einem Umkreis aufgehen und „weg projektiert“ werden.
Sein Blick scheint etwas zu suchen, was auf der Ebene der Gegenstände nicht zu finden ist. Es mag unwahrscheinlich klingen: sein Blick sucht Zusammenhänge & Verbindungen & Korrespondenzen, die nur sichtbar werden, wenn man auf Kontur verzichtet. Und gerade im Akt des Verzichts hat sein Blick eine kräftige Präsenz. Der Blick ist da – und immer wieder muss man ihm in die Augen schauen und sich fragen: was sieht er, was erlebt er, was bewegt ihn? So sieht sein Blick in meinen Augen aus ... - Bitte hier weiterlesen. Dort auch der erste Beitrag. Und ein Buch des Autors: Armut als Schicksal
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