Samstag, 17. Januar 2009

Eine junge Praktikantin blickt zurück

Myriam Estko: Rückblick

Es ist einer der ersten warmen Tage dieses Jahres, die Sonne scheint und auch wenn sich noch kein Grün blicken lässt, so liegt doch ein Hauch von Frühling in der Luft. Ich sitze in der Sonne vor dem Haus, aus der Ferne klingt eine leise Melodie zu mir herüber, Slawa spielt auf seinem Bandoneon, er und Marina hüten die Kühe. Jeden Morgen ziehen sie los mit einem ganzen Rucksack voll Proviant und kommen erst abends wieder zurück, manchmal sehr erschöpft, wenn unsere frechen Kühe wieder der Wind juckte. Die Farm ist sehr gewachsen seit meiner Ankunft, damals gab es nur zwei Kühe, ein Kalb und einen Stier. Nun sind es schon vier Kühe, vier Rinder, ein Stier, zwei Kälber, 40 Hühner, drei Schweine und elf Ferkel, den Eber haben wir vor kurzem geschlachtet. Viel Arbeit, aber dafür auch mehr Produkte, mehr Selbstversorgung.

Ja, es hat sich viel verändert in den acht Monaten in denen ich nun schon hier lebe, die Zeit ging viel zu schnell vorbei, aber ich habe auch das Gefühl, hier ganz zu Hause zu sein. Sicher habe auch ich das Dorf geprägt, aber vor allem hat es mich verändert, zu einem Teil von sich gemacht, so sehr, dass ich mir nicht vorstellen kann, in drei Monaten schon wieder weg zu müssen, schon den nächsten Aufenthalt hier in Sibirien plane.

Mir ist bis heute nicht klar, warum ich mich damals während des Abiturs für ein Jahr in Istok, einer sozialtherapeutischen Einrichtung nahe Irkutsk am Baikal, entschieden habe, nur dass es die richtige Entscheidung war, dessen bin ich mir sicher!

Ohne ein Wort Russisch zu können kam ich Ende August 06 mit den Zug von Moskau in Irkutsk an. Die Stadt verwirrte mich in ihrer chaotischen Art, spielte jedoch auch mit ihrem verhaltenen Charme, den bunten Märkten und schiefen alten Holzhäusern zwischen Plattenbauten und klassizistischen Überresten aus der Vergangenheit. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich mit dem unübersichtlichen System der Minibusse auskannte, meinen Weg auch über das Zentrum hinausfand und die Talismanschule näher kennen lernte. Inzwischen ist mir das alles vertraut geworden, ich fahre selber mit dem Auto durch das Verkehrschaos, genieße das große kulturelle Angebot der Stadt, die einst als das Paris Sibiriens galt, und auch der Baikal gehört irgendwie zu meinem Leben, so unberechenbar er auch immer sein mag.

Am wohlsten fühle ich mich jedoch immer noch im Dorf, jedes Mal, wenn ich aus der Stadt zurückkehre, ist es wie ein Aufatmen, ein Ankommen, ganz besonders in der Zeit, als Schnee und Schlamm die Wege fast unpassierbar machten. Aber das ist man hier gewohnt, das halbe Jahr über gibt es Eis und Schnee, sodass die Menschen im Winter nicht anders fahren als auf dem nackten Asphalt im Sommer.

Da ich direkt von der Schule hierher kam hatte, ich nicht allzu viel Vorstellung von der Arbeit, die mich erwarten würde. Vielleicht war das auch gut so, denn vom ersten Tag an wurden mir die Aufgaben eines vollen Mitarbeiters zugeteilt und auch, wenn ich mich immer wieder überfordert fühlte, so gibt einem Istok wohl die größte Chance, Verantwortung zu übernehmen und selbständig arbeiten zu lernen. Das Dorf hat ständig ein akutes Mitarbeiterproblem, verbunden mit allen dazugehörigen Schwierigkeiten. Auf die 15 Betreuten, die momentan hier leben, kommen drei feste Mitarbeiter, zwei Volontäre und Tatjana, die sich hauptsächlich um die Außenarbeit kümmert, was in Russland einen ständigen Kampf mit den Behörden bedeutet. Während meiner bisherigen Zeit hatten wir immer wieder neue Helfer, die jedes Mal voll Optimismus begrüßt wurden und schon nach kurzer Zeit wieder verschwanden oder sich für das Dorf als ungeeignet erwiesen. Solche Erlebnisse bringen viele Enttäuschungen mit sich, machen einen manchmal resigniert gegenüber der russischen Mentalität, die eine Behinderung noch immer als abnormal ansieht und sich davor ekelt. Auch der Alkohol oder die typisch unverbindliche, ans Chaotische grenzende, Art vieler Männer hier machen es fast unmöglich geeignete Menschen für das Dorfleben zu finden.

Die letzte Begebenheit dieser Art war unser dritter Nikolaj. Er kam aus Chabarowsk, nachdem er die Reportage über uns im Fernsehen sah. Schon in Rente suchte er ein Plätzchen um seinen Lebensabend zu verbringen, dabei noch etwas Sinnvolles zu tun. Als Schreinermeister wollte er die Holzwerkstatt auf Vordermann bringen, unsere Betreuten stellte er sich mehr als Invalide vor, die aber sonst alles ohne Probleme machen können. Wie viele andere auch glaubte er von Anfang besser zu wissen, was für uns gut ist, ekelte sich aber gleichzeitig vor einigen Bewohnern. Wie üblich waren wir so froh über die Hilfe, dass wir ihn ohne Probezeit aufnahmen und so stellte sich erst nach und nach heraus, dass er ein akutes Sozialproblem hatte und absolut ungeeignet für das Dorfleben war. Glücklicherweise sah er selber auch ein, dass es nicht das vorgestellte Paradies für ihn war, aber bis er endlich ging gab es noch viele unschöne Szenen und danach konnten wir einmal mehr die gesamte Holzwerksatt aufräumen, was Tage in Anspruch nahm. Dies nur als ein einziges Beispiel unter vielen.

Sonst bin jedoch ich für die Holzwerkstatt zuständig, während Aurelia aus der Schweiz die Keramikwerkstatt leitet. Valentina ist offiziell die Dorfleiterin, macht die Handarbeitswerkstatt und die Finanzen, Luda ist die Bäuerin und mit mir und Aurelia zusammen für die Gartenarbeit zuständig. Ihr Mann, Nikolaj, muss sich um alles Technische kümmern, was bei den vielen Vorfällen eigentlich eine ganze Gruppe Menschen bräuchte. Er ist bisher der einzige männliche Russe, der es schafft das Dorfleben ganz aufzunehmen und mit den Betreuten zusammen zu arbeiten. Allerdings hat er es mit dem Alkohol etwas schwer, im Dorf geht es ganz gut, aber zu Hause in Turskaja hat er eigentlich keine Chance. Hilfe bekommt er von unserem zweiten Kolja, ein Jugendlicher ohne Ausbildung, der mit einigen Problemen zu kämpfen hat und seit einem knappen Jahr bei uns lebt.

Meine Arbeit in der Werkstatt habe ich schnell lieb gewonnen, dort arbeiten momentan sechs Menschen und stellen Küchengeräte sowie Spielzeug her oder helfen mir bei der Herstellung verschiedener Dinge die im Dorf gebraucht werden.

Alesja ist unsere Kleine, aber sie hat es faustdick hinter den Ohren. Ihre wunderschönen Bilder verkaufen sich gut als Postkarten, in der Werkstatt hat sie in letzter Zeit Freude an der Herstellung verschiedener Schilder für das Dorf gefunden. Wenn ich ihr das Wort auf ein Holzbrett aufzeichne so gelingt es ihr gut dieses mit verschiedenen Messern auszuarbeiten. Hin und wieder hat sie einen schlechten Tag und zankt andere oder schmollt, aber meistens ist sie ein Sonnenschein, der alle beglückt und in ihre kleinen Arme schließt.

Tanja ist nur im Dorf wenn ihre Mutter auch da ist, diese hat sie leider zu völliger Unselbständigkeit erzogen, sodass man sie immer wieder aus ihren stark phlegmatischen Träumen herausreißen muss. Trotzdem ist sie immer freundlich und schafft es verschiedenen Schalen eine besonders schöne Form zu geben. Allerdings hat sie oft Mühe sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, vor dem Fenster passiert immer so viel.

Der Rest der Gruppe besteht aus lauter übermütigen Jungs, die mich immer wieder sehr herausfordern. Aljoscha ist ein sehr guter und konzentrierter Arbeiter, der aber auch schnell ausrasten kann wenn etwas nicht nach seinem Willen geschieht. Er liebt Technisches über alles, sodass ich versuche mit ihm auch an den kleineren Maschinen zusammen zu arbeiten. Mit dem Feinmotorischen klappt es noch nicht ganz, aber es ist schön wie stark er sich in etwas vertiefen kann. Er hat sich die große Aufgabe gestellt für unseren Eingangsbereich eine Skulptur zu gestalten, die er nach einer frei erfundenen Form nachbildet.

Mit Artjom habe ich oft sehr ermüdende Diskussionen über den Sinn zu arbeiten, er ist unkonzentriert und kann sich recht schnell aufregen und dann Dinge zerbrechen. Trotzdem ist er zu viel mehr fähig als es scheint und als ihm lieb ist. Da wir ständig neue Stiele für die zahlreichen Gartengeräte brauchen baten wir ihn so viel als möglich herzustellen. Oft fällt es ihm schwer sich zu konzentrieren und die Stecken bleiben eckig oder unregelmäßig. An guten Tagen jedoch werden sie immer besser, er verziert sie in letzter Zeit sogar und geht mit ihnen auch viel sorgfältiger um als früher wenn wir zusammen im Garten arbeiten.

Kostja ist unser aller Liebling, sein Autismus verhindert eine direkte Kommunikation, aber er schafft es auf ganz andere Weise die Herzen zu öffnen. Wenn er plötzlich aus seinem Grübeln aufwacht und einen anstrahlt oder umarmt, so ist jeder Ärger sofort weggeblasen. Da es ihm schwer fällt gesteuerte Bewegungen auszuführen, er jedoch gerne seinen ganzen Körper wie ein Pendel vor und zurück bewegt ist für ihn das Schleifen von großen Flächen eine gute Aufgabe. Dafür muss er seine Bewegungen auf einen Punkt konzentrieren und auch mal festeren Druck ausüben. Ich glaube, dass ihm die Arbeit gefällt, in letzter Zeit hat er sogar angefangen einzelne Worte zu bilden, was früher nicht vorkam.

Der letzte im Bunde ist unser wandelndes Radio, Arkadi. Er ist noch nicht lange bei uns und liebt es den Clown zu spielen. Ich weiß manchmal nicht wie ich ihn beruhigen soll, aber er ist sicher der Geschickteste von allen und kann viele feine Dinge machen. Für ihn müssen wir noch eine eigene Aufgabe finden, das letzte Mal hat er mir ein Buch über Gartenmöbel gebracht. Vielleicht kann er uns einige schöne Dinge für das Gelände machen, so ganz ist das Territorium noch nicht ergriffen, es fehlen schöne Plätze zur Erholung.

Zur Holzwerkstatt gehört auch ein kleines Atelier zur Herstellung von Dosen aus Birkenrinde. Dies war ein Projekt von Tim Mergelsberg, der eine Firma für solche Produkte zum Verkauf in Deutschland gründete als er hier seinen Zivildienst absolvierte. Die letzen Jahre schlief die Werkstatt im Dorf leider wieder ein, es gab niemanden, der sich für ausreichende Qualität und Regelmäßigkeit verpflichten konnte. Nun hoffen wir das Projekt wieder aufzugreifen, Luda hat versprochen sich auch in Zukunft halbtags darum zu kümmern. Jetzt gilt es Kontakt mit verschiedenen Firmen für Material aufzunehmen, was in Russland wie immer viel Zeit und gute Nerven braucht. Ich hoffe sehr, dass es auch hier in Zukunft weiter geht, für das Dorf würde es ein großer Schritt zur Unabhängigkeit von Geldern aus dem Westen bedeuten.

Ja, die Bürokratie in Russland, sie ist oft noch viel schlimmer als man es sich im Westen vorstellt. So wird im Dorf schon seit drei Jahren an einem größeren Haus gebaut, das einen höheren Lebensstandard für die Menschen bedeuten würde. Da werden die Gelder, die ausnahmsweise vom Staat kommen, gekürzt oder von der Mafia beschlagnahmt, die Baufirmen wechseln ständig, alle arbeiten immer schlechter, man musste schon zu Anfang Bausünden ausgleichen. Ein halbes Jahr stand der Rohbau einfach nur herum, sodass im Frühjahr die teure Verschalung kaputt war und man erneut beginnen musste. Nun ist fast alles fertig, nur die Wasserleitungen wurden leider vergessen, sodass man den Fußboden wieder aufreißen muss. Wann wir endlich umziehen können ist noch unklar, denn durch alle Reparaturen fehlt nun das Geld für Möbel. Einen Teil kann ich sicher mit Hilfe von Kolja und Aurelia in der Werkstatt anfertigen, nur nicht alles.

Aber das Reparieren, auf Russisch „Remont“ genannt, ist und bleibt die Lieblingsbeschäftigung der Russen. Wir können uns sehr oft ein Beispiel an ihnen nehmen wie kreativ sie dabei vorgehen, es gibt fast nichts, was sie nicht können. Alles wird selber gemacht, das Auto, der Traktor, die Stromleitung, Maschinen, Wasseranschlüsse und was sonst noch regelmäßig kaputt geht. Das dabei weder auf Sicherheit noch auf Langlebigkeit geachtet wird dürfte klar sein, aber es ist erstaunlich wie schnell man sich daran gewöhnt. Aurelia zuckt mit keiner Wimper mehr, wenn bei ihrer Heizung die freiliegenden Kabel Funken sprühen oder knallen. „Normalna“, es ist ja schön warm im Zimmer!

Was mich zu Anfang am meisten verunsicherte war jedoch der fast völlig fehlende Austausch zwischen den Mitarbeitern. Von Europa sind wir gewohnt, dass man alles immer genau analysiert, plant und vor allem schon im Voraus bespricht. Russen kennen so etwas nicht, da wird ganz kurzfristig etwas angekündigt, wenn überhaupt, gestritten wir lautstark und sehr emotionell, woraufhin alles wieder gut ist und Konferenzen sieht man eher als lästige Pflicht an oder man macht wunderschöne, jedoch unrealistische Pläne. Es dauerte einen ganze Weile bis Aurelia und ich lernten uns für regelmäßige Besprechungen einzusetzen, aber das was daraus entstand hat uns sehr ermutigt. Man kann es vielleicht als eine Mitte zwischen Ost und West bezeichnen, die Menschen von hier gewöhnen sich immer mehr an Zukunftsplanung und Besprechungen wie wir sie kennen und wir werden etwas spontaner, sind nicht mehr so sehr darauf angewiesen immer über alles nachzudenken. Ganz regelmäßig klappt es zwar immer noch nicht, aber dafür haben wir nun immer wieder auch Seminare zur eigenen Fortbildung. Hier leisten Valentina und Tatjana viel, mit immer wieder neuen Ideen schaffen sie ein engeres Band, das uns als Team verknüpfen soll.

Ein Teil der theoretischen Arbeit am Dorf schließt auch die Eltern mit ein. Hier gibt es noch viele Probleme zu bewältigen bis eine richtige Zusammenarbeit stattfinden kann. Sehr selten sind die Eltern bereit auch aktiv im Dorf zu helfen, wie es eigentlich geplant war, dafür stehen sie allem um so kritischer gegenüber und boykottieren so wichtige Entscheidungen in dem sie alles in Frage stellen. Vielen würde eine einfache Betreuung mit Fernsehanimation für ihre Kinder genügen, es ist schwer ihnen zu erklären, dass ihre Kinder mehr können als es zu Hause den Anschein hat. Hier helfen die fertigen Projekte aus den Werkstätten etwas weiter sie sind der Beweis für die vielfältigen Begabungen der Menschen im Dorf.

Die größte Aufgabe ist jedoch immer noch das verwirklichen des Tagesplanes und das Schaffen eines festen Rhythmus. Ersteres klappt immer besser, besonders im Winter, der hier ja recht lange dauert. Der Jahreslauf jedoch ist noch nicht immer ergriffen, bestimmte Festtage kommen sehr überraschend und bringen alles durcheinander oder können nicht wahrgenommen werden da zu kurzfristig geplant. Auch das kulturelle Leben geht oft unter, für die geplanten Theaterstücke fehlt die Zeit und der musikalische Abend am Donnerstag artet oft zu einer Party aus oder wird ganz vergessen. Hier gibt es sicher noch einiges an Arbeit, vor kurzem haben Aurelia und ich mit einer Percussion-Gruppe angefangen, die wir auch noch erweitern wollen. Vielleicht gelingt es uns noch mehr circusähnliche Spiele mit einzubauen, es hat uns sehr verblüfft wie schnell auch schwierige Formen von den Betreuten aufgenommen wurden.

Dort wo die Banja steht ist Rauch zu sehen, ich kann mich also auf einen schönen Abend freuen, mindestens zweimal die Woche wird das russische Saunahaus eingeheizt und bietet nicht nur Gelegenheit zu einer Grundreinigung, es ist auch eine sehr kommunikative Angelegenheit, man schlägt sich gegenseitig mit Birkenzweigen ab, trinkt zwischendurch zusammen Tee und tauscht sich über alles mögliche aus. Mit zunehmenden Russischkenntnissen hat sich uns auch die Mentalität der Menschen immer mehr erschlossen. Besonders die langen Abende mit Luda zusammen brachten uns sprachlich ein ganzes Stück vorwärts, Sie bemühte sich uns mit einfachen Worten so viel als möglich mitzuteilen und von uns zu erfahren.

Slawa und Marina kommen zurück, es wird also bald Abendessen geben, ich tippe auf Kartoffeln, wie fast immer. Aurelia und ich machen uns immer ein bisschen über die Russen lustig, die nur mit Kartoffeln und Brot auskommen können, aber es ist nicht ganz so schlimm, gerade die Farm und der Garten tragen viel zu einem abwechslungsreicheren Speiseplan bei und auch an die etwas geräuschvollen Esssitten haben wir uns angepasst. Nur ob wir damit auch in Europa wieder akzeptiert werden ist noch nicht sicher!

Immerhin könnte man sagen, dass es uns nie langweilig werden kann, da es im Notfall noch die Küche zum putzen gibt. Der Versuch die Häuser halbwegs sauber zu halten dauert Stunden und hält oft nur Sekunden an. Dieses Phänomen ist nicht einmal an die Anzahl der Menschen gebunden, auch in den Ferien, wenn fast alle zu Hause sind könnte man den ganzen Tag wischen und es wäre immer noch nicht sichtbar, dass geputzt wurde.

Luda winkt mir von Garten herüber, es gibt nun viel draußen zu erledigen. Mit dem Gewächshaus sind wir endlich auch in der Zeit, hier hatten wir völlig unkoordiniert angefangen was letzten Endes die dreifache Arbeit bedeutete. Viel Zeit ging auch für die Verbesserung des Bodens verloren, da der Komposthaufen leider zu einem großen Teil aus Holzresten bestand und wir nun einzeln die Erde mit Asche und Hühnermist vermengen mussten.

Als nächstes steht uns eine intensivere Geländeplanung bevor, in jeder Ecke häuft sich der Müll und Verschönerungsversuche werde nicht selten von ausreißenden Kühen abgefressen. Es gilt nun Hecken zu pflanzen, Zäune zu ziehen, Ackerland zu roden und vielleicht ein oder zwei künstlerische Projekte mit einzubauen. Nur wann ist immer die große Frage. In der letzten Zeit gab es einen regen Austausch zwischen Eltern aus der Waldorfschule und Talisman, die an biologisch-dynamischer Landwirtschaft interessiert sind. Bis jetzt ist es eine Gruppe von 25 Leuten die von dem Demeterbauern Sergej und seiner Frau betreut werden und so etwas wie eine kommunale Datscha auf unserem Land gründen wollen. Wir stellen den Boden und bereiten ihn mit dem Traktor vor, dafür bekommen wir 60 bis 70% der Produkte für den Dorfgebrauch. Wenn das Projekt funktioniert könnten wir in großem Stiel Gemüse anbauen und müssten im Winter nicht mehr zukaufen. Zusätzlich würden so mehr Menschen mit Istok in Kontakt kommen, ein besseres Verständnis für das Dorf und die Talismanschule gewinnen. Aber bis es richtig losgehen kann muss noch viel organisiert werden!

Seit der Schnee abgetaut ist brennt in unserer Gegend wieder der Wald und wir müssen Brandgürtel roden und Gegenfeuer anzünden. Es braucht weiterhin mehr Helfer, die bei der alltäglichen Arbeit mit anpacken und so Freiraum für mehr Kreativität schaffen und es braucht einen lebendigen Austausch zwischen Ost und West, der Istok seinen eigenen Weg finden lässt, nahe an den uns bekannten heilpädagogischen Dörfern, aber doch anders, zu Sibirien und den Menschen passend.

Wie immer liegen Hoffnung und Enttäuschung nahe beisammen, aber im Vergleich zu früher hat Istok allen Grund stolz auf sich zu sein und Mut für die Zukunft zu schöpfen!

Unsere Anliegen:

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