Freitag, 24. April 2009

MENSCH werden - Dr. Karl König (1902-1966)

Dr. Karl König, geboren am 25.09.1902 in Wien (Österreich-Ungarn), gestorben am 27.03.1966 in Überlingen am Bodensee, Deutschland, entwickelte früh eine starke Beziehung zum Christentum und zu den sozialen Fragen.

Weihnachten 1965 schreibt Dr. Karl König:

"Eine Wohlstandsgesellschaft, die ihr eigentliches Menschsein zu vergessen beginnt - eine Menschheit, die sich in ihre Rassenprobleme verbeisst und gleichzeitig Vernichtungsmittel ersonnen hat, denen Millionen in wenigen Minuten zum Opfer fallen können - eine soziale Ordnung, die die göttliche Ordnung vergass und eine neue Ethik sucht, die sie, gottlos geworden, nicht mehr finden kann - zeugt in ihrer Mitte einen neuen Aufgabenkreis: den Hinfälligen, Behinderten, scheu Gewordenen, Lahmen und Siechen so zu helfen, dass sie wieder ihr Menschentum erringen können. Ist es nicht ein großes Wunder, das sich uns hier offenbaren will? Eine sich selbst vernichtende Menschheit erschafft in ihrer Mitte ein Neues, das im absterbenden Teil ihres Daseins einen werdenden Keim zum Wachsen bringt. Eine umfassende Heilpädagogik gleicht dem sich entfaltenden Samen in einer faulenden Frucht.


Wir müssen nur die Idee der Heilpädagogik weit genug fassen, um ihrer wahren Bestimmung ansichtig zu werden ... Sie will zu einer weltweiten Tätigkeit werden, um der überall entstandenen "Bedrohung der Person" hilfreich entgegenzutreten. Die "Heilpädagogische Haltung" muß
- in jeder sozialen Arbeit,
- in der Seelsorge,
- in der Betreuung der Alten,
- in der Rehabilitation der Geisteskranken wie auch der Körperbehinderten,
- in der Führung der Waisen und Flüchtlinge,
- der Selbstmordkandidaten und Verzweifelten,
aber auch

- in der Entwicklungshilfe,
- im internationalen Friedenskorps und ähnlichen Bestrebungen
sich zum Ausdruck bringen. Das ist die einzige Antwort, die wir heute - insofern wir noch Menschen sein wollen - einer am Abgrund tanzenden Menschheit entgegenstellen können ...

Nur die Hilfe von Mensch zu Mensch - die Begegnung von Ich mit Ich - das Gewahrwerden der anderen Individualität, ohne des Nächsten Bekenntnis, Weltanschauung und politische Bildung zu erfragen – sondern einfach das Aug' in Auge-Blicken zweier Persönlichkeiten, schafft jene Heilpädagogik, die der Bedrohung des innersten Menschseins heilend entgegentritt.

Allerdings wird das nur dann wirksam sein können, wenn eine grundlegende Herzenserkenntnis dabei berücksichtigt wird". (aus "Camphill Brief", Föhrenbühl und St.Prex, 1965)

Karl König entwickelte früh große Kräfte der Empathie; das soziale Gewissen bewegte ihn, sich für seine Mitmenschen unmittelbar einzusetzen. Doch auch der starke Bezug zu den Tieren entstand schon im Knaben, daß er sich immer wieder auch für sie einsetzte. So manche—auch recht lustige—Anekdoten aus der Feder seiner Mutter bezeugen dies reichlich. Sie schreibt (und war erst Ostern 1966 mit den Aufzeichnungen fertig—ihr Sohn Karl hat sie also nicht mehr lesen können) im jüdischen Altersheim in London:
Einmal kam mein Sohn (22-jährig!) die ganze Nacht nicht nach Hause; wir dachten er schläft vielleicht bei den Bergels. In der Früh kam er zerzaust und schmutzig. ‘Ja, wo warst Du denn?’ Da sagte er: ‘Bei der Polizei.’ Der Grund? Er hielt im Stadtpark einen Vortrag, wie schlecht die Tiere hier behandelt werden. Der Schinder kommt und fängt die Hunde ein auf grausame Art …
Das war immer ein jämmerliches Heulen. Und so hielt mein Sohn einen Vortrag im Stadtpark darüber, eine große Menschenmenge sammelte sich um ihn, und das war in Wien streng verboten. So kam der Poizist und arretierte ihn von der Stelle weg, er durfte uns nicht einmal anrufen. Das ist der österreichische Polizeistaat im Ggensatz zu England, wo jeder Mensch in Hyde Park sprechen kann ohne belästigt zu werden.
Dieser tiefe Herzensbezug zu den Tieren und die brennenden Fragen nach den Grundkräften des Lebens führte ihn zunächst zu der Zoologie, dann zur Botanik, um schließlich über seine Erlebnisse mit der Embryologie in das Studium der Medizin umzusteigen. (aus dem Newsletter der Karl-König-Archive)


Verlag Freies Geistesleben - Ankündigung für Frühjahr 2009
Karl König:
Mensch unter Menschen werden - Zur sozialen Dreigliederung
Herausgegeben und eingeleitet von Richard Steel mit einem einleitenden Aufsatz aus dem Jahre 1944 und zwei Vortragsreihen zu Ostern und Michaeli 1964 in Föhrenbühl und Brachenreuthe
geb. mit Schutzumschlag, ein Aufsatz aus dem Jahr 1944 und acht Vorträge zu Ostern und Michaeli 1964 in Föhrenbühl und Brachenreuthe, geplanter Erscheinungstermin: 20.05.2009, ca. 180 S. ISBN-13: 978-3-7725-2405-9, ca. 22.90 Euro
Unmittelbar unter dem Eindruck seiner Reise zum ‘Herzen Mitteleuropas’ — nach Prag und vor allem zur Burg Karlstein — macht Karl König auf die Notwendigkeiten der sozialen Erneuerung aufmerksam. Das soziale Bauwerk muß heute im Inneren des Menschen aktiv entwickelt werden. Nur ‘aus dem Geiste heraus’ kann eine dem heutigen Menschen gemäße soziale Gestaltung entstehen. Doch kann König plastisch-bildhaft und in eindringlicher Weise aufzeigen, wie die Ansätze dazu im Menschen selbst veranlagt sind und im gewöhnlichen Alltagsleben durch konsequentes Üben wirksam werden können:
Das ist es, um was es geht; daß wir mehr und mehr begreifen, daß der Friede, der Menschenfriede nur entstehen kann, wenn Einsicht gewonnen wird in die neue Spiritualität, die die Sozietät der Menschen erfüllt.
Somit erscheint der erste Band mit Vorträgen des Arztes und Camphill-Gründers in der neuen Werkausgabe und läßt uns etwas von seiner Unmittelbarkeit, von der originellen Art des bildhaften Denkens und von den weiten Zielen des Alltags in der ‘heilenden Gemeinschaftsbildung’ erahnen.


Unsere Anliegen:

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